Abschlussprojekt der Ausbildung Zusatzqualifikation Erlebnispädagogik
im Arbeitsfeld Jugendhilfe, Schule, KJP
des KAP-Institutes
„Check the trail - der Weg zur Eigenverantwortung“
19. - 21.09.2012
Erlebnispädagogisches Projekt von Christian Salomon
1. Einleitung: Vorstellung der Einrichtung
Das Jugendwerk in Bamberg hat verschiedene Einrichtungsbereiche, die mehr oder weniger intensive und mehr oder weniger "Spezialangebote" für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien bereithalten: Ambulante Dienste, teilstationäre und stationäre Angebote. Die verschiedenen Dienste und Einrichtungen arbeiten organisatorisch und inhaltlich zusammen. Diese Vernetzung bietet den Vorteil, dass vielfältige fachliche, materielle und räumliche Ressourcen zur Verfügung stehen und diese auf den Hilfebedarf des Kindes/Jugendlichen im Einzelfall abgestimmt werden können und durchlässig sind.
Der Hauptpfeiler des Jugendwerkes liegt in der zirkuspädagogischen Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen, die in unserer Einrichtung betreut werden und mit Kindern aus der Stadt und dem Landkreis Bamberg. Unter der Woche besuchen uns Schulklassen aus der Region, die von Montag bis Donnerstag eine Zirkusaufführung einstudieren und diese am Freitag vor den Familienangehörigen und den Schulkollegen aufführen. An den Nachmittagen finden verschiedene Zirkustrainings statt, die sehr großen Zuspruch finden. Des Weiteren versuchen wir immer wieder mit den Kindern der Einrichtung eine Zirkusgala einzustudieren, welche dann für die Öffentlichkeit aufgeführt wird.
Doch auch die erlebnispädagogische Arbeit in der Einrichtung kommt nicht zu kurz. So haben wir direkt auf unserem Gelände seit ca. zehn Jahren einen eigenen pädagogischen Hochseilgarten, der ebenfalls sowohl den Kindern der Einrichtung als auch Schulklassen und anderen Gruppen zur Verfügung steht.
Außerdem fahren alle Abteilungen, ob stationär oder teilstationär, jedes Jahr auf mindestens eine Freizeit wie Pilgern auf dem Jakobsweg, Zeltlager, Hüttentouren oder Radtouren.
2. Erlebnispädagogisches Konzept
2.1. Definition Erlebnispädagogik
Laut Stephan Straub & Leif Cornelissen vom N.E.W.-Institut Freiburg beschreibt Erlebnispädagogik einen methodischen und erlebnisorientierten Ansatz, der mittels vielfältiger und naturnaher Situationen die Teilnehmenden vor reale Aufgaben, Herausforderungen, Frage- und Problemstellungen und eben erlebnisreiche Eindrücke stellt, deren Umsetzung, Lösung oder Verinnerlichung gleichzeitig eine positive Veränderung und Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit fördern will.
2.2. Pädagogischer Hintergrund
Ich selbst leite das Jugendprojekt „Zahltag“, welches im Juli 2011 neu eröffnet wurde und ein Anlaufpunkt für Jugendliche und junge Erwachsene ist, die aufgrund unterschiedlichster Problematiken keinen beruflichen Weg eingeschlagen oder diesen abgebrochen haben. Derartige Probleme können zum Beispiel Obdachlosigkeit, Gewaltbereitschaft, mangelnde Kommunikationsfähigkeit, mangelnde Hygiene, Drogenmissbrauch, psychische Probleme, Selbstüberschätzung oder einfach nur chronische Unlust sein.
Ich biete diesen jungen Menschen die Möglichkeit, tageweise bei mir zu arbeiten. Am Abend jedes Arbeitstages bekommen die Jugendlichen 20 Euro in bar auf die Hand und zudem in der Mittagspause ein warmes Mittagessen von unserer Einrichtung. Mein Ziel ist es, durch die gemeinsame tägliche Arbeit ein Vertrauensverhältnis zu den jungen Menschen aufzubauen und ihnen einen Ort zu bieten, an den sie kommen können, ohne Versagensängste haben zu müssen. Während der gemeinsamen Arbeit bieten sich viele Situationen, in denen die meisten Jugendlichen ganz von selbst anfangen von sich, ihrer Vergangenheit, ihrer derzeitigen Situation oder auch von Zielen und Träumen für die Zukunft zu erzählen.
Diese Grundlage nutze ich, um ihnen Hilfestellungen anzubieten, die ihnen vielleicht helfen, ihr Leben besser in den Griff zu bekommen. Hilfestellungen können das Ausprobieren verschiedenster Berufsrichtungen, Unterstützung beim Schreiben von Bewerbungen, Unterstützung bei der Wohnungssuche, das Beantragen und Ausfüllen von Formularen für diverse Ämter, das Ableisten von Sozialstunden, die Möglichkeit des Telefonierens oder der Internetbenutzung, das Reparieren des Fahrrads, die Beschaffung von lebensnotwendigen Materialien, die Vermittlung zu einem einstellungswilligen Arbeitgeber oder einfach nur das offene und nicht verurteilende Ohr bei Problemen sein.
In den vergangenen 15 Monaten habe ich im Jugendprojekt „Zahltag“ 34 Jugendliche und junge Erwachsene betreut, von denen mittlerweile vier in eine Lehrstelle vermittelt werden konnten und zwei wieder einen neuen Arbeitgeber in ihrem Beruf gefunden haben.
Die Erfahrung, die ich bisher mit diesen jungen Menschen gemacht habe, zeigt mir, dass jeder für sich ein herzensguter Mensch ist, der sich nach Normalität und Akzeptanz sehnt. Doch im Umgang mit ihrer Umwelt sind Schwächen in den Bereichen Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit oder Frustrationstoleranz immer wieder Punkte, die ihnen keinen reibungslosen Kontakt ermöglichen. Ebenso fehlt es vielen der Jungen und Mädchen an der Vorstellung, was ihr eigenes Leben für sie bereithalten könnte, was Ziele sind, die man erreichen möchte, oder nach welchen Werten sie gerne leben möchten.
Da dies viele wichtige Punkte sind, für die im Stress des Arbeitsalltags nicht immer Zeit gefunden wird, habe ich mich dazu entschlossen, diesen jungen Menschen ein Projekt anzubieten, welches einen Rahmen bietet, in dem über oben genannte Problematiken gesprochen und vielleicht die ein oder andere Hilfestellung von mir gegeben werden kann.
2.3. Zielsetzung
Mein Ziel ist es, die Jugendlichen für drei Tage von ihrem normalen Alltag mit all den Problemen, Hürden und Ablenkungen zu entfernen und so einen Rahmen zu schaffen, in dem sie über sich und ihre Situation nachdenken können. Sie sollen im Zusammenspiel mit erlebnispädagogischen Maßnahmen neue Erfahrungen machen und ihre Bereitschaft erhöhen, an sich zu arbeiten.
Konkrete Ziele sind:
2.4. Art der Unternehmung
Mein Projekt „Check the Track - der Weg zur Eigenverantwortung“ wird vom 19.09.2012 bis zum 21.09.2012 stattfinden. Wir werden eine gemeinsame Trekkingtour gehen, die am Tor zur Fränkischen Schweiz, in Ebermannstadt, beginnt und die ersten Kilometer im Tal an der Wiesent entlang durch flaches Gelände führt.
Den Track habe ich im Voraus auf mein GPS Gerät gespeichert, die Navigation werde ich nach einer Einweisung in die Handhabung des Gerätes den Jungs alleine überlassen. Auf den ersten Kilometern sollen sich meine Begleiter an das stetige Laufen und das Tragen des Rucksacks gewöhnen. Nach der Ortschaft Streitberg steigt ein Weg kontinuierlich in den Wald bergan und führt uns zur Schönsteinhöhle.
Da das Übernachten in der Höhle verboten, die Umgebung aber sehr schön ist, plane ich hier in der Umgebung zu biwakieren. Am zweiten Tag führt uns der Weg immer weiter östlich in Richtung Waischenfeld. Kurz vor Waischenfeld laufen wir einen Bogen Richtung Norden, überqueren die Staatsstraße 2191 und suchen uns in der Umgebung von Heroldsberg einen geeigneten Schlafplatz für unser zweites Biwak. Am dritten Tag gehen wir wieder zurück nach Ebermannstadt. Kurz vor Ebermannstadt liegt das Örtchen Streitberg mit seiner erhöht liegenden Streitburg. Hier können die Teilnehmer ihren Blick noch einmal über einen Teil des gelaufenen Weges richten. Vor dieser schönen Kulisse wird auch die Abschlussreflexion stattfinden, ehe wir die letzte kurze Strecke bis zum Auto gemeinsam bestreiten werden. Dieser Weg soll noch einmal dazu dienen, in Ruhe über das Reflektierte nachdenken zu können.
Die gesamte Tour beträgt ca. 50 km Fußstrecke. Vor der Tour bekommt jeder der Teilnehmer von mir ein zusammengestelltes Tagebuch mit theoretischen Inhalten zum Thema Kommunikation, Konfliktfähigkeit, Ziele finden... Diese Themen werden wir auf der Tour in längeren Pausen in offener Runde bearbeiten. In Rollenspielen, Übungen und Gesprächsrunden sollen die Teilnehmer neue Wege kennen lernen, mit Problemen in bestimmten Bereichen umzugehen und diese lösen zu können.
3. Zielgruppe
3.1. Gruppenzusammensetzung
Die Gruppe, mit der ich das Projekt halten werde, ist nur schwer zu beschreiben bzw. festzulegen. Ich hatte mir vor Beginn des Projektes überlegt, jedem männlichen Jugendlichen bei „Zahltag“, der Lust darauf hat, die Möglichkeit zu geben, an der Tour teilzunehmen. Da die Jungs, die bei mir arbeiten, jedoch vollkommen unverbindlich kommen, jeden Tag ein Neuer dazu kommen oder ein fest Eingeplanter wieder wegfallen kann, da er Arbeit gefunden hat oder durch Probleme jeglicher Art abgehalten wurde, hat sich die Gruppenzusammensetzung für mein Projekt wöchentlich geändert. Aus diesem Grund habe ich mich zehn Wochen vor Projektbeginn dafür entschieden, das Projekt mit den Jugendlichen der „Zirkuswerkstatt“ und denen von „Zahltag“ zu halten. Die Jugendlichen kennen sich untereinander größtenteils aus ihrer Freizeit. Auch bei gemeinsam erledigten Arbeiten wie dem Aufbau unseres Zirkuszeltes, der Vorbereitung des Weihnachtsmarktes oder anderen Baustellen auf dem Gelände konnte schon Zeit miteinander verbracht werden. Grundsätzlich arbeiten in der „Zirkuswerkstatt“ Jugendliche mit demselben Hintergrund wie die Jugendlichen bei „Zahltag“. Allerdings arbeiten die jungen Menschen hier fest eingestellt für ein Jahr und werden vom Jobcenter in diese Maßnahme vermittelt, während bei „Zahltag“ keine Arbeitspflicht besteht. In der Gruppengröße habe ich mich auf bis zu acht Teilnehmer beschränkt, wohl wissend, dass es vermutlich nicht so viele Interessenten geben wird. In der „Zirkuswerkstatt“ arbeiten derzeit fünf Jungs, die komplett an meinem Projekt teilnehmen werden, dazu kommt ein obdachloser junger Mann, der derzeit bei mir arbeitet. Zwei Plätze sind derzeit noch frei.
Die Problematik der Teilnehmer ist, wie unter Punkt 2.2. „pädagogisches Konzept“ schon beschrieben, sehr unterschiedlich.
Zu meiner Unterstützung wird mich mein guter Freund Bernd begleiten. Bernd ist Jahre alt, selbständiger Musiker und Erlebnispädagoge („Outword Bound“). Bernd hat sich im Jahr 2006 mit der Firma „Teamwärts“ ein zweites Standbein neben der Musik aufgebaut, seit 2008 wird er hierbei von mir unterstützt. In den letzten zwei
Jahren haben wir bereits mehrere Teamtrainings zusammen geleitet und wissen beide, wie der jeweils andere tickt oder in kritischen Situationen reagiert (www.teamwaerts.net).
3.2. Beschreibung der Teilnehmer
P.B. („Zirkuswerkstatt-Brücke zur Arbeit“)
P. ist 21 Jahre alt und ein etwas zurückhaltender Jugendlicher. Wenn man sich um ihn bemüht, kann man ihn gut für Dinge begeistern. P. ist sehr empfindsam und dadurch manchmal sehr leicht reizbar. Mittlerweile schafft er es recht gut, sich nach Konflikten schnell wieder zu beruhigen. Arbeiten muss P. weiterhin an seiner Zuverlässigkeit, da er immer wieder unentschuldigt nicht zur Arbeit erscheint.
A.Gra. („Zirkuswerkstatt-Brücke zur Arbeit“)
Muss der 20 jährige A. Arbeiten erledigen an denen er interessiert ist, kann er motiviert und zielstrebig arbeiten. In seiner Freizeit interessiert er sich sehr für Musik und legt gerne mal als Dj auf. Gefallen ihm Arbeiten nicht, hat er große Probleme sich zu motivieren. Sein Verhalten den Anleitern der „Zirkuswerkstatt„ gegenüber ist des Öfteren unangemessen.
A.Gri. („Zirkuswerkstatt-Brücke zur Arbeit“)
A., 18 Jahre alt, ist stets freundlich, höflich und tritt den Betreuern mit Respekt gegenüber. Er wirkt bemüht, aus der Maßnahme so viel wie möglich für sich mitzunehmen. Auch über die Zirkuswerkstatt hinaus erweckt er den Eindruck, dass er ein Ziel vor Augen hat und dieses mit all seinen Möglichkeiten erreichen will. Arbeiten muss er noch an seiner Pünktlichkeit.
D.T. („Zirkuswerkstatt-Brücke zur Arbeit“)
D., 18 Jahre alt, ist ein eher ruhiger aber sehr freundlicher und höflicher Jugendlicher. Er ist regelmäßig in der „Zirkuswerkstatt“ anwesend und erfüllt dort gut die ihm aufgetragenen Arbeiten. Außerdem ist D. sehr hilfsbereit. Problematisch gestaltet sich bei ihm das Beenden einer Ausbildung, da er häufig auf Hilfe und Unterstützung von außen angewiesen ist. Dies ist auch bei den Arbeiten in der Werkstatt der Fall, bei denen er klare Vorgaben und Ansagen benötigt. Sind diese allerdings gegeben, führt er seine Aufgaben gut aus.
M.U. („Zirkuswerkstatt-Brücke zur Arbeit“)
M. ist 19 Jahre alt und hat sich vorgenommen, im Projekt neue Dinge kennen zu lernen und Inhalte für seine Zukunft mit zu nehmen. Er selbst bezeichnet sich als pünktlich und zuverlässig, allerdings entschuldigt er sich eher selten rechtzeitig bei Fehlzeiten. M. ist bemüht, sein Verhalten anzupassen und einen guten Eindruck zu hinterlassen. Des Öfteren zeigt er Eigeninitiative, indem er von sich aus Arbeiten aufnimmt und erledigt.
D.G. („Jugendprojekt Zahltag“)
D. ist 20 Jahre alt und Mitte Juli aus Zwickau geflüchtet. Dort hatte er verschiedene Probleme mit Bekannten die mir selbst nur vage bekannt sind. Es gibt wohl verschiedene Personen, die der Meinung sind, er würde ihnen Geld schulden. Diese Personen sind laut D. auch gewalttätig. Erhaltene Drohungen via Facebook sind mir bekannt. Aus Angst ist er davon gelaufen.
Da es in Bamberg derzeit keine freien Notunterkünfte für Obdachlose gibt lebt er größtenteils auf der Straße. Für Notfälle habe ich ihm ein Feldbett mit Isomatte und Schlafsack bei mir zu Hause in der Garage aufgestellt. D. ist grundsätzlich, was die Arbeit betrifft, sehr zuverlässig. Im Eins zu Eins Kontakt wirkt er meist vernünftig und erzählt von großen Plänen. Außerdem empfinde ich ihn als sehr ehrlich. Auf von mir angesprochene Probleme räumt er Fehler ein und bringt gute Vorschläge zur Besserung. D. große Schwäche gehört dem Alkohol. Diese hindert ihn auch an der Umsetzung seiner doch oft positiven Vorhaben. Nach Feierabend führt ihn sein Weg stets zum Feierabendbierle, um den Abend mit Hochprozentigerem ausklingen zu lassen. Da D. nicht mehr besitzt als das, was er am Körper trägt, riecht er leider sehr streng. Körperhygiene scheint ihm nicht wichtig zu sein. Arbeiten, die ihm nicht gelingen, schmeißt er schnell hin und wird aggressiv. Ziele für ihn wären drei Tage kein Alkoholgenuss, das Erlernen von Körperhygiene, ihm seine erschreckende Lage ins Bewusstsein zu holen, Förderung der Konfliktfähigkeit und sein Durchhaltevermögen zu stärken.
4. Projektverlauf
4.1 Vorbereitung
Wie mein Projekt vom inhaltlichen Teil her aussehen soll, wusste ich schon sehr früh.In den mittlerweile 15 Monaten, in denen ich nun das Jugendprojekt „Zahltag“ leite, habe ich sehr viele unterschiedliche junge Menschen kennen gelernt und entdeckt, dass nahezu alle Bedarf an Förderung in den Bereichen Kommunikation, Konfliktfähigkeit, Durchhaltevermögen oder dem Setzten von Zielen haben. In Verbindung mit welchem Medium ich diese Inhalte den Teilnehmern näher bringen will, wusste ich lange Zeit nicht. Letztendlich habe ich mich jedoch aufgrund des geringsten Risikos und meiner persönlichen Erfahrung für eine Trekkingtour in der Fränkischen Schweiz entschieden. Die Gegend dort kenne ich durch verschiedene Touren mit dem Mountainbike oder mehreren Wanderungen sehr gut, fühle mich sehr sicher und werde mich so voll und ganz auf die Gruppe konzentrieren können. Die Route, die ich mit den Jungs gehen werde, habe ich auf dem Laptop vorgeplant und auf mein GPS-Gerät übertragen. Diese bin ich am Samstag den 21.07.2012 mit dem Mountainbike abgefahren, habe kleine Verbesserungen notiert und diese zu Hause am Computer geändert. Die jeweiligen Übernachtungspunke habe ich mit Wegpunkten markiert und extra abgespeichert. Nachdem ich Mitte Juli noch nicht viele Jugendliche aus dem Projekt „Zahltag“ für mein Vorhaben gewinnen konnte, bzw. diese sich nicht festlegen wollten oder aufgrund von anstehender Ausbildung oder Arbeit nicht zusagen konnten, habe ich mich dafür entschieden, mein Projekt den Mitarbeitern der „Zirkuswerkstatt“ vorzustellen. Die Mitarbeiter der „Zirkuswerkstatt“ waren von meiner Idee überzeugt und fanden, dass das Projekt für ihre Jugendlichen wie gemacht sei. So stellte ich mein Projekt den Jugendlichen vor. Wir überlegten gemeinsam in offener Runde welches Material wir für so eine Tour benötigen, welches Material ich von der Einrichtung organisieren muss (Schlafsäcke, Isomatten, Rucksäcke) und wie viel bzw. welches Essen man für drei Tage benötigt. Die Besorgung des Essens würde ich für alle übernehmen.
Ebenfalls im Juli habe ich damit begonnen, im Internet nach geeigneten Methoden zu suchen, um die Themen, die ich auf der Tour ansprechen will, veranschaulichen zu können. Hier habe ich mich für das Komfort- und Lernzonenmodell entschieden. Anhand dieses Modells möchte ich den Jungs aufzeigen wie Lernen überhaupt funktioniert, wann der Mensch beginnt zu lernen und wann es vielleicht gefährlich werden kann. Ich habe eine Seite entworfen, die verdeutlichen soll, wer auf unserer Tour für was verantwortlich ist: ich als Trainer bringe ihnen Inhalte nahe, stelle Fragen und suche nach dem Punkt, der ihnen zum Verständnis fehlt. Die Jungs sind jedoch selbst verantwortlich für das, was am Ende der drei Tage bei ihnen hängen bleibt. Außerdem werde ich den Jungs zeigen wie Kommunikation funktioniert, dass wir nicht nur über unsere Stimme kommunizieren, sondern der größte Teil dessen, was bei unserem Gegenüber ankommt, durch unsere Körpersprache ausgesendet wird. Anhand des Eisbergmodells und eines Rollenspiels möchte ich den Jugendlichen erklären, wie ein Konflikt entstehen kann und dass man, wenn man versucht den Grund für die schlechte Laune seines Gegenübers herauszufinden, es schafft, diesen besser zu verstehen und so einen Konflikt verhindern kann. Mithilfe einer Fantasiereise möchte ich den Teilnehmern meines Projektes Ziele entlocken, die sie sich für ihr Leben vielleicht wünschen. Anhand einer Zielscheibe werden wir versuchen, klar definierte Ziele zu finden und Teilziele, die zum Erreichen dieses Ziels nötig sind, aufschreiben. Eine Geschichte soll den Jugendlichen verdeutlichen, dass man seine Ziele immer wieder neu überdenken sollte, wenn man sie lange nicht erreicht hat. Zum Abschluss möchte ich, dass sich die Jungs überlegen, welche Werte sie für sich für wichtig halten, nach welchen Werten sie schon leben und welche ein Ziel wären, das es zu erreichen gilt. Aus diesen Werten sollen sie in ihrem Projektheft ein Haus bauen. Die Werte die bereits gelebt werden bilden das Fundament des Hauses, noch zu erreichende Werte werden auf das Fundament aufgebaut.
Ca. Mitte August war ich mit der Zusammenstellung meines Projektheftes fertig, habe mir stabiles Papier besorgt und die Projekthefte zu Hause gebunden. Im nächsten Schritt habe ich mich darum gekümmert, woher ich die fehlende Ausrüstung für unsere Trekkingtour bekomme. Dies war jedoch kein großes Problem, da unsere Einrichtung über sämtliches Material wie Schlafsäcke, Isomatten, Trangia-Kocher oder Rucksäcke verfügt. Eigene Kleidung, Kulturbeutel, Trinkflaschen, Brotzeitdose, Taschenlampe, Becher, Regenjacke und Schreibsachen konnten die Jungs privat auftreiben. Lediglich D.G., der als Obdachloser über keine eigene Habe verfügt, wird von mir privat mit allem fehlenden Material ausgestattet. Material, das die ganze Gruppe betrifft, wie Batterien für das GPS, Tarps zum Bau eines trockenen Schlafplatzes, Heringe, Bänder, 1. Hilfe Set, Spiritus für Trangia-Kocher, Feueranzünder, Spülschwämme, Mülltüten, Klappspaten, Toilettenpapier oder das Notfallhandy wurden von mir besorgt. Das Material, welches von den Jugendlichen selbst gepackt wird, bekommen sie in der Woche vor der Tour von mir ausgehändigt.
Ob sie dies dann einpacken oder nicht, liegt in ihrer eigenen Verantwortung. Als Fahrzeug verfüge ich über einen eigenen Dienstwagen (VW-Bus), mit dem wir gemeinsam zum Startpunkt fahren können und den Bus dort auch stehen lassen werden. Sollte die Gefahr durch ein starkes Gewitter zu groß werden und ich das Projekt abbrechen wollen, ist mein Vater (Rentner) informiert und wird uns nach telefonischer Absprache im Notfall abholen. Regen sollte uns nicht davon abhalten, die Tour weiter zu gehen. Für den Fall eines gesundheitlichen Notfalls ist die Rettungsnummer 110 allen Teilnehmern bekannt. Welche Informationen am Telefon weitergegeben werden sollen (W-Fragen) bespreche ich mit den Jungs zu Beginn der Tour. Das Notfallhandy wird immer in meinem Rucksack im Deckelfach verstaut sein, diese Information bekommen alle Teilnehmer. Ebenfalls weise ich die Jugendlichen in die Bedienung des GPS Gerätes ein. Somit können sie im Notfall die genauen Koordinaten unseres Standortes bestimmen und telefonisch weitergeben. Sollte ein Jugendlicher auf der Tour aufgeben und nicht mehr weiter wollen, werden wir uns in der Gruppe zusammensetzen und das Problem diskutieren. Eine Lösung soll von der Gruppe selbst gefunden werden. Im Notfall könnte ich auch hier meinen Vater als Abholer kontaktieren, dies werde ich den Jungs aber nicht mitteilen, um es ihnen nicht so leicht zu machen.
Da alles Material, bis auf die Lebensmittel, entweder aus der Einrichtung kommt oder von mir privat gestellt oder besorgt wird, entstehen nahezu keine Kosten. Anfallende Kosten werden von der Einrichtung getragen. Die Jugendlichen und ich sind als Mitarbeiter ganz normal über die Einrichtung versichert.
4.2. Geplanter Projektverlauf
1. Tag, Mittwoch 19.09.2012, 15,5 km
08:00 Uhr: Treffpunkt auf dem Gelände und gemeinsames Frühstück (nur wer frühstückt, hat genügend Energie zum Wandern)
08:45 Uhr: Beladen des Busses
09:00 Uhr: Abfahrt nach Ebermannstadt
09:30 Uhr: Tourstart (auf der ersten Etappe besprechen wir beim Gehen das Verhalten bei einem Notfall, ich weise die Jungs in die Handhabung des GPS-Gerätes ein und teile ihnen mit, wo an meinem Rucksack sich 1.Hilfe-Set und Notfalltelefon befinden)
11:00 Uhr: Bearbeiten der Seite 2 im Projektheft, 5 Sätze zum Einstieg
11:30 Uhr: weiter des Weges
12:30 Uhr: Brotzeit
13:00 Uhr: Bearbeiten der Seite 3+4 im Projektheft, Komfort- und Lernzonenmodell, EPÜ – Knoten im Seil
14:00 Uhr: mit neuen Kräften voran
17:00 Uhr: Ankunft an Schönsteinhöhle (Lagerplatz einrichten)
17:45 Uhr: Bearbeiten der Seite 5 im Projektheft, Verantwortlichkeiten
18:15 Uhr: Abendessen kochen (immer zwei Jungs an einem Kocher), Abendessen schmecken lassen, abspülen, aufräumen
20:00 Uhr: wenn Möglichkeit gegeben Grubenfeuer errichten und den Abend in lockerer Runde ausklingen lassen, nebenbei den Tag reflektieren
2. Tag, Donnerstag 20.09.2012, 17 km
08:00 Uhr: gemeinsames Frühstück + packen der Rucksäcke
09:00 Uhr: Aufbruch zu Tag 2 (auf dem Weg abfragen wie die Nacht war, ob jemand gefroren hat und gegebenenfalls Tipps geben, die in der nächsten Nacht angewendet werden können.
10:30 Uhr: Bearbeiten der Seite 6 im Projektheft, Kommunikation, EPÜ – Pipeline
11:30 Uhr: Aufbruch
13:00 Uhr: Brotzeit
13:45 Uhr: weiter geht’s
15:30 Uhr: Bearbeiten der Seite 7 im Projektheft, Konfliktfähigkeit, Einstieg über ein kleines Rollenspiel, das zwei freiwillige Jungs vortragen
17:00 Uhr: letzte Etappe für heute
18:30 Uhr: Ankunft am Lagerplatz, Lager errichten, kochen, essen, aufräumen
20:30 Uhr: wenn Möglichkeit gegeben, Grubenfeuer errichten und den Abend in lockerer Runde ausklingen lassen, nebenbei den Tag reflektieren
3 Tag, Freitag 21.09.2012, 16 km
07:30 Uhr: Gemeinsames Frühstück + packen der Rucksäcke
08:30 Uhr: Aufbruch zu Tag 3
10:00 Uhr: Bearbeiten der Seite 8+9+10 im Projektheft
11:15 Uhr: auf die Beine – fertig – los
12:30 Uhr: Brotzeit
13:15 Uhr: und weiter geht’s
15:00 Uhr: Bearbeiten der Seite 11 im Projektheft, EPÜ -Wertetower
16:00 Uhr: auf zur Streitburg
16:45 Uhr: Ankunft Streitburg, Abschlussreflexion
17:15 Uhr: die letzte Etappe
18:15 Uhr: Ankunft am Bus und Abfahrt nach Bamberg. Auf der Rückfahrt mit den Jungs zu Abend Essen, wo überlasse ich ihnen.
19:30 Uhr: Ankunft in der Einrichtung, Verabschiedung der Jungs
4.3. Tatsächlicher Projektverlauf
Am Montag den 10.09.2012 habe ich von einem Betreuer der „Zirkuswerkstatt“ erfahren, dass sie mir ihre Jugendlichen für mein Projekt nicht mehr als Teilnehmer zur Verfügung stellen können. Aufgrund eines Kupplungsschadens am Bus der „Zirkuswerkstatt“ konnten diese nicht wie geplant in der Woche vom 10.09. - 14.09.2012 ihr Zirkuszelt in Turin (Italien) abbauen, sonder mussten diesen Termin nach hinten verschieben, auf die Woche vom 17.09. -21.09.2012. Somit stand ich neun Tage vor der Durchführung meines Projektes ohne Gruppe da. Lediglich D.G. ist mir als Teilnehmer geblieben. Ich habe mich dazu entschieden, das Projekt dennoch als intensive Einzelbetreuung zu halten und mit D.G. alleine loszuziehen. Da mir nun die Gruppe fehlte, konnte ich den geplanten Projektverlauf nicht einhalten.
1. Tag, Mittwoch 19.09.2012, 19 km
D. und ich trafen uns um 8 Uhr bei mir zu Hause, um den Zahltagbus, den ich bereits am Vorabend mit zu mir genommen hatte, zu beladen. Die Rucksäcke hatten wir bereits am Vorabend gepackt. Auf der Fahrt nach Ebermannstadt hielten wir kurz bei einem REWE-Markt, um frisches Brot für unsere Tour und Frühstück für den heutigen Tag einzukaufen. Dieses wurde zusammen mit einem „coffee to go“ gemütlich auf dem Parkplatz eingenommen.
Gegen 8.45 Uhr parkten wir in Ebermannstadt bei ALDI und ich informierte wie besprochen die Geschäftsleitung, dass wir für drei Tage unser Auto hier abstellen konnten. Gegen 9 Uhr machten wir uns auf den Weg, die Wiesent entlang Richtung Streitberg. Die ersten Kilometer waren für D. eher schwierig. Der Rucksack musste ca. alle 15 Minuten abgesetzt werden, um Hüfte und Schultern zu entlasten. Auf meine Anweisung, den Rucksack richtig einzustellen, reagierte er mit den Worten „ach passt schon“. Auf der Strecke zwischen Ebermannstadt und Streitberg erklärte ich D. die Funktionsweise und die Handhabung des GPS-Gerätes, wir besprachen das richtige Verhalten in einem Notfall und den Ort der 1. Hilfe Tasche und des Notfalltelefons. PIN und Notrufnummer wurden von mir mit Klebeband auf dem Handy befestigt. Nach ca. drei Kilometern legten wir eine größere Pause ein. Wir aßen beide einen Apfel und ich gab D. die Aufgabe, sich ein ruhiges Plätzchen zu suchen und die Seite zwei im Tagebuch auszufüllen. Hier eantwortete D. fünf Fragen, in denen es um seine Erwartungen und Befürchtungen das Projekt betreffend ging. Auch ich beantwortete diese Fragen in meinem Projektheft. Im Anschluss war es D. der von mir wissen wollte, wie ich meine Fragen beantwortet hätte. So las ich ihm meine Fragen mit Antworten vor, danach er mir seine. So hatte ich mir das gedacht. Nachdem wir unseren Weg wieder aufgenommen hatten erzählte mir D. von einem Bekannten, der ihm gestern ohne Grund ins Gesicht geschlagen hätte. Ich hörte aufmerksam zu, beteiligte mich am Gespräch und freute mich über seine Offenheit. Als wir an einem Schild „Aufstieg zur Ruine Neideck“ vorbei kamen erwähnte D. sein Interesse an alten Burgen. Ich bot ihm an, diesen Umweg mit ihm zu gehen und so stiegen wir ungeplant bergauf, genossen die Aussicht und ich zeigte D. den Weg, der heute noch vor uns lag. Nach dem Abstieg und weiteren Kilometern auf unserer Tour machten wir gegen 12 Uhr eine großzügige Mittagspause. Währen D. etwas ruhte baute ich mein Material, Flipchartpapier und Kamera mit Stativ, auf, um mit D. die Seiten drei und vier im Projektheft bearbeiten zu können. Hier ging es darum, das Komfort- und Lernzonenmodell kennen zu lernen. Ich wollte D. aufzeigen, dass es wichtig ist, seine Komfortzone zu verlassen, um lernen zu können. Wir besprachen gemeinsam, welche Situationen oder Tätigkeiten bei uns im Bereich der Komfort- und Lernzone liegen, dass es manchmal Mut erfordert, seine Komfortzone zu verlassen, aber man auch aufpassen muss, nicht in die Panikzone zu geraten. Im Anschluss packten wir gemeinsam zusammen und gingen weiter bergan in Richtung der Schönsteinhöhle, an der ich unsere erste Übernachtung eingeplant hatte. Vorher füllten wir an der Wiesent unsere Wasservorräte auf, um genügend Wasser zum Kochen für den Abend zu haben. Aufgrund der stark minimierten Gruppengröße und der dadurch entfallenen EPÜ kamen wir allerdings bereits gegen 15 Uhr an der Höhle an. D. und ich entschieden gemeinsam, die Etappe des heutigen Tages zu verlängern und bereits einen Teil des zweiten Abschnitts hinter uns zu bringen. Gegen 17 Uhr suchten wir uns in einem Wald einen geeigneten Platz und richteten unser Nachtlager ein. D. erzählte, dass er so etwas als Kind schon immer gerne gemacht hätte, er aber nie die Möglichkeit hatte. Er äußerte auch ein wenig Angst, da wir vollkommen schutzlos ohne Zelt übernachteten. Nach kurzer Erklärung, dass ein Überfall durch Bären oder Wölfe eher unwahrscheinlich bis unmöglich ist, war er etwas beruhigter. Ich erklärte ihm auch, dass es wichtig sei, unser Lager frei von Müll zu halten. Zum einen zwecks Naturschutz, aber auch, um ungebetenes Ungeziefer fern zu halten. Anhand der Seite 5 im Tagebuch klärten wir die Verantwortlichkeiten in Bezug auf unser Projekt im Allgemeinen, aber auch in Hinsicht auf den heutigen Abend. So kochte ich für uns beide Nudeln mit Carbonarasoße und D. sammelte trockenes Holz, hob mit dem Spaten ein Loch aus und entzündete ein Grubenfeuer. Gemeinsam sprachen wir noch etwas über den heutigen Tag und genossen die Stille des Waldes und die Wärme des Feuers. Um 19:30 Uhr verabschiedete sich D. mit den Worten „ich leg mich hin“ in Richtung Schlafsack. Meinen Worten „Zähne putzen“ folgte er nur widerwillig. Ich lies das Feuer noch abbrennen und folgte eine Stunde später.
2. Tag, Donnerstag 20.09.2012, 23 km
Um 07:30 Uhr kroch D. aus seinem Schlafsack und weckte mich mit den Worten „kalt – Kaffee“. Wir bereiteten gemeinsam Frühstück, sprachen über die erste Nacht im Freien und ich gab D. Tipps, wie er seinen Schlafsack leichter warm bekäme und vor allem die Wärme in diesem halten könne. Wir packten unsere Rucksäcke und machten uns auf den weiteren Weg. Außerhalb des Waldes schien die Sonne und D. wurde es schnell wieder warm. Wir stiegen in das nächste Tal ab und füllten an der Aufseß unsere Trinkflaschen auf. Entlang der Aufseß führte uns der Mühlenweg bis nach Doos. Auf dieser schönen Strecke fragte mich D. ob unser Rückweg nach Ebermannstadt noch einmal über die Schönsteinhöhle führt. D. erklärte mir, dass er dort gerne die zweite Nacht verbringen möchte. Da es mir nicht wichtig war wo wir laufen oder übernachten und meine geplante Tour durch die Streckenverlängerung des ersten Tages bereits verändert war, ließ ich mich darauf ein, eine komplett neue Strecke zu gehen. D. hatte das GPS und bestimmte die Richtung. Ich erklärte ihm lediglich, dass die Strecke etwas länger sein wird als am gestrigen Tag. „Ich will da hin – und wenn ich krieche“ war seine Antwort. „Check the Track – der Weg zur Eigenverantwortung“ die meine. So liefen wir wieder an der Wiesent entlang Richtung Schönsteinhöhle. An einem schönen Platz legten wir eine größere Pause ein, kochten Kaffee und machten gegen 12:30 Uhr Brotzeit. Bevor wir wieder aufbrachen bearbeiteten wir auf dem von mir vorbereiteten Flipchartpapier das Thema Kommunikation (Projektheft Seite 6). Wir erarbeiteten uns, dass Kommunikation nicht nur aus der Stimme, sondern eben auch aus dem Inhalt und der Körpersprache besteht. Dass die Körpersprache in einem Gespräch das ist, was am meisten bei meinem Gegenüber in Erinnerung bleibt und der Inhalt am ehesten wieder vergessen wird. Ich ließ D. überlegen, wie er diese Erkenntnis mit in sein Praktikum, welches er in der Woche nach unserem Projekt bestreitet, mitnehmen kann und an welchen Punkten er hier noch arbeiten darf. Unser weiterer Weg, den D. bestimmte, führte uns durch die Versturzhöhle Riesenburg über den Engelhardsberg nach Albertshof. Der Aufstieg durch die Versturzhöhle machte D. stark zu schaffen.
Wir kamen nur langsam vorwärts und legten immer wieder kleine Pausen ein. In einer größeren Pause gegen 15 Uhr tankten wir neue Energie und sprachen über das Thema Konfliktfähigkeit (Projektheft, Seite 7). Ich läutete das Thema mit einem kleinen Rollenspiel ein, bei dem D. und ich zwei Köche waren, die beide die letzte verbleibende Orange für ihr Dessert am Abend brauchten. So sollte ein gespielter Konflikt entstehen. Dieses Rollenspiel machte D. viel Spaß. Im Anschluss tauschten wir unser Wissen über Konflikte aus. Wie kann ein Konflikt entstehen, woran kann ich einen Konflikt erkennen, wie löst D. Konflikte für gewöhnlich und was sollte immer das Ziel in einem Konflikt sein. Daraufhin brachen wir ein letztes Mal für den heutigen Tag auf. Die letzten Kilometer schleppte sich D. mehr, als dass er lief. Er meinte sein Fuß schmerze und der Rucksack sei verdammt schwer. Mein Angebot, doch schon früher das Lager aufzuschlagen beantwortete er mit den Worten „vergiss es, ich will an die Höhle“.
Gegen 18:30 Uhr erreichten wir die lange ersehnte Schönsteinhöhle und D. ließ sich vorerst auf dem Boden nieder. Während ich das Lager errichtete ruhte D. sich stolz aus. Nach gewisser Zeit forderte ich ihn auf, seine Schuhe auszuziehen. Ich weiß nicht, ob ich jemals so schlimme Füße gesehen, geschweige denn gerochen habe. Ich gab D. Feuchttücher und befahl ihm, seine Füße ordentlich zu waschen und danach Luft ranzulassen. Währenddessen kochte ich Abendessen. Nachdem ich bereits gestern festgestellt hatte, dass D. selbstständig keine Zähne putzt, für gewöhnlich stark riecht und ich nun diese Füße gesehen hatte, eröffnete ich am Abend das Gespräch über Körperhygiene. Ich spannte den Bogen zum Thema Kommunikation, in dem wir festgestellt hatten, dass die Körpersprache das ist, was bei meinem Gegenüber am ehesten in Erinnerung bleibt. Ich fragte ihn, ob er wohl eine große Chance auf ein erfolgreiches Praktikum mit Übergang in eine Ausbildung sehe, wenn alle Kollegen einen großen Bogen um ihn machen würden. Denn nicht jeder, und schon gar kein Handwerker, der unter Zeitdruck steht, ist so sozial eingestellt. Daraufhin wurde D. eher ruhig und gab mir Recht. Er wisse auch, dass er sich nicht pflege und deswegen stinke. Das sage ihm auch seine Freundin, die er seit gut einem Monat hat. Er versprach mir, sich ab sofort besser um sich zu kümmern. Ich sagte, dass er das nicht für mich, sondern für seine Zukunft tun müsse. An diesem Abend putzte er das erste Mal selbstständig die Zähne. Gegen 21 Uhr verkroch D. sich in seinen Schlafsack. Ich brachte wieder das Feuer unter Kontrolle und legte mich gegen 22 Uhr hin.
3 Tag, Freitag 21.09.2012, 12 km
Der dritte und letzte Tag unserer Tour startete nach einem gemeinsamen Frühstück und dem Packen der Rucksäcke erst gegen 9:30 Uhr. D´s Füße hatten sich etwas erholt und seine Blase wurde mit einem Blasenpflaster versorgt. Wir beschlossen, heute keine großen Umwege zu machen und über die Aussichtsplattform „Guckhüll“, die Muschelquelle und die Streitburg zurück zum Auto zu laufen. Der Anstieg zur „Guckhüll“ konnte wieder nur mir großer Anstrengung bestritten werden, der Waldweg danach allerdings gehörte laut D. zu dem Schönsten, das er die drei Tage gesehen hat. Auf dem Weg zur Muschelquelle ließ ich D. einen schönen ruhigen Ort suchen, an dem er sich auf eine Fantasiereise begeben sollte. Er schloss die Augen und stellte sich vor, er feiere seinen 80. Geburtstag. Er hat viele Gäste geladen und vier davon sollten eine Rede über ihn halten. Sein Sohn, seine Frau, ein Freund und ein Arbeitskollege. Was möchte er, dass diese vier Personen über ihn erzählen.
Dieser Einstieg sollte D. auf das Thema „Ziele finden und benennen“ (Seite 9 im Projektheft) einstimmen. Im Anschluss besprachen wir mithilfe einer großen Zielscheibe auf einem Flipchartpapier, welche Ziele es für D. in der kommenden Zeit gibt und in welchen Schritten er diese erreichen kann. Was muss er tun, um sein Ziel zu erreichen. Nach dieser Erkenntnis, dem Abstieg zur Muschelquelle, einer kleinen Rast, bei der D. sich noch einmal zurückziehen sollte, um einen Brief an sich selbst zu schreiben, und einem letzten Aufstieg zur Streitburg konnten wir nun den lohnenden Ausblick über nahezu zwei Drittel unseres gemeinsamen Weges genießen. Hier sollte sich D. im Projektheft Seite 10 „Eine Geschichte“ durchlesen und sich überlegen, was ihm diese Geschichte wohl sagen möchte. „Bei der Arbeit auch mal mein Hirn benutzen“, war seine Antwort. Ich war so überrascht, dass ich diese Antwort so stehen ließ und nur nickte. Eigentlich wollte ich darauf hinaus, dass man seine Ziele immer wieder neu überdenken und gegebenenfalls den Weg dorthin ändern muss, wenn es länger nicht klappt. Aber so war ich zufrieden und wir hatten einen gelungenen Abschluss auf der Streitburg. Da auf der Burg immer wieder Touristen ankamen, machten wir uns um 14:30 Uhr auf den Rückweg und hielten zur Abschlussreflexion noch einmal an einer grünen Wiese an. Hier bearbeiteten wir noch die Seite 11 im Projektheft. Meine Werte, was macht mich wertvoll, worauf bin ich stolz, woran kann ich noch arbeiten, welchen Wert möchte ich noch erreichen. Anschließend liefen wir in gutem Tempo singend und pfeifend nach Ebermannstadt.
4.4. Abschluss
Gegen 17 Uhr am Auto angekommen entschieden wir gemeinsam, erst nach Hause zu fahren, die Rucksäcke zu leeren und geduscht und frisch gekleidet in der Stadt essen zu gehen. Auf dem Weg besorgten wir noch ein Buch über Astronomie, da D. mir von seinem Interesse an Sternen und Planeten berichtete und ich ihn zur Vorbereitung auf den Schulalltag im Falle einer Ausbildung zum Lesen ermutigen möchte. Beim Essen sprechen wir über das Praktikum, das bereits am kommenden Montag für ihn beginnt. Ich merke ihm an, dass er zum einen die große Chance sieht, die sich ihm bietet, endlich aus dieser ernüchternden Situation, in der er sich befindet, ausbrechen zu können. Zum anderen spüre ich die Unsicherheit ob der großen Herausforderung für ihn. Um ihm etwas mehr Sicherheit zu geben frage ich ihn ab, ob er alles besitzt, um gut in die Praktikumswochen starten zu können. Da ich weiß, dass er alles hat, kann er immer mit „Ja“ antworten. Ich sage ihm noch einmal, dass der Betrieb, in dem er das Praktikum machen kann, über seine Situation in Kenntnis ist und ich mit dieser Firma in Kontakt stehe. Außerdem lasse ich ihn wissen, dass ich ihm jederzeit mit Rat und Tat zur Verfügung stehen werde. Er besitzt meine Telefonnummer und er weiß, wo ich wohne.
Gegen 19:30 Uhr verabschiedet sich D. von mir mit den Worten „das müssen wir wieder machen“. Ich selbst gehe geschlaucht aber mit sehr positiven Gefühlen aus meinem Projekt. Wohl stelle ich mir die Fragen: Wird es ein Problem sein, dass mein Projekt vollkommen anders gelaufen ist als geplant? Aber was kann ich für den Wegfall meiner Teilnehmer? Werdet ihr, das KAP-Team, mit meiner Arbeit zufrieden sein? Die Antwort, die ich mir selbst darauf gebe, ist einfach. Es ist egal, denn für D. war es ein mehr als gelungenes Projekt. Deshalb ist der letzte Gedanke, den ich nach drei langen Tagen an mein Projekt habe, folgender: „GUT, DASS DER BUS DER ZIRKUSWERKSTATT KAPUTT GEGANGEN IST“.
5. Nachbereitung
5.1. Veränderungen bei D.G.
Da mein Projekt erst gestern zu Ende ging, kann ich nur schwer von Veränderungen bei D. nach dem Projekt sprechen. Doch bereits im Projekt wurde mir bewusst, dass D. ein großes Geltungsproblem hat. Ihm ist es wichtig, dass er gesehen wird. Er will der Beste sein, er bestimmt, er gibt an, er widerspricht, er bezieht Stellung, er motzt, er wird laut, wenn er nicht gehört wird. All diese Verhaltensweisen hat er auf unserer Tour nicht gezeigt. Grundsätzlich hatten wir ein harmonisches Miteinander ohne Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten. Ich war keine Konkurrenz für ihn. Auf der Arbeit ist dies etwas Anderes. Hier arbeitet er mit Freunden und Bekannten von „unter der Brücke“. Er muss sich beweisen, um akzeptiert zu werden. Am Abend unserer zweiten Übernachtung hat D. den Satz gesagt: „Ich weiß wer oder wie ich sein möchte, aber ich habe keine Ahnung, wer ich wirklich bin“. Gemeint hat er, „ich will gar nicht so sein wie ich bin. Ich will niemandem etwas vorspielen müssen, damit dieser mich mag. Ich wäre gerne ganz anders“. Dieses Thema haben wir lange besprochen. Ich habe ihm erzählt, dass ich selbst kaum noch Kontakt zu alten Freunden aus meiner Jugend habe, da ich mich irgendwann für ein anderes für mich sinnvolleres Leben entschieden habe. Ich habe ihm erklärt, dass man z.B. durch eine neue Arbeitsstelle viele neue Menschen kennen lernen und als Freunde für sich gewinnen kann. Wenn D. sein Vorhaben durchsetzt, kann dies eine Veränderung sein, die ihm sein Leben rettet.
5.2. Reaktionen in der Einrichtung
Auch hier gab es, da noch keine Zeit seit meinem Projekt vergangen ist, noch keine Reaktionen. Da ich allerdings Leitung meines eigenen Projektes bin, ich außer meiner Bereichsleitung keine Kollegen habe und unsere Einrichtung sehr groß ist, wird es nicht viele Reaktionen innerhalb der Einrichtung geben. Meinen Bericht werde ich der Einrichtungsleitung und meiner Bereichsleitung vorlegen und sicher auch Rückmeldungen erhalten.
6. Reflexion
6.1. Besondere Erlebnisse
Ein besonderes Erlebnis für mich war ganz klar die absolute Bereitschaft, die D. von Anfang an gezeigt hat. Er hat immer wieder geäußert, „wenn du die Tour mit uns machen willst, dann bin ich dabei“. Gemeint hat er damit eher, „wenn es für dich wichtig ist, dann mache ich schon mit“. D. wusste wie wichtig diese Tour für mich gewesen ist und hat mir, denke ich, durch seine Teilnahme ein Stück des Vertrauens und der Energie, die ich ihm in den letzten Monaten entgegengebracht habe, zurückgeben wollen. Außerdem hat mich sein absoluter Wille, die zweite Etappe bis zur Schönsteinhöhle laufen zu wollen, um an diesem einen schönen Platz übernachten zu können, begeistert. Mit seinen Füßen hätten vermutlich die wenigsten die Tour überstanden. Nachdem ich etwa eine Woche vor der Tour erst erfahren habe, dass mir meine Gruppe, mit der ich eigentlich den Weg gehen wollte, wegfällt, war ich kurz davor, alles abzusagen. Da ich beruflich gerade zum Jugendprojekt „Zahltag“ auch noch ein neues Projekt Namens „Chance Jugendfähre“ als Leitung dazu bekommen habe und hier beim Aufbau mitwirken durfte, generell viel Arbeit bei „Zahltag“ anstand und ich nebenbei noch zu Hause baue, kam mir der Gedanke eigentlich ganz recht. Es war D., der mir mit seiner Aussage, „ich geh eh lieber mit dir allein“, neue Energie entgegen brachte und wohl anstatt dem Verlust der Gruppe, die neu entstandene Chance für sich selbst erkannte. Ganz klar, die Bereitschaft von D. ist mein besonderes Erlebnis.
6.2. Erkenntnisse/Erfahrungen
In der Vorbereitung der Tour habe ich die Erfahrung gemacht, dass man gewisse Stellen des Öfteren anfragen muss, um irgendwann eine klare Auskunft oder Zusage zu bekommen. Und selbst wenn man diese hat kann man sich noch nicht sicher sein, ob diese auch wirklich eingehalten wird. Dass ich für mein Angebot bereit bin, alles an Zeit und Energie aufzuwenden, die mir möglich ist, das war mir klar, sobald man sich jedoch von anderen abhängig macht, schwingt immer ein gewisses Risiko mit. Letztendlich hat mein Projekt hervorragend funktioniert und seinen Zweck mehr als erfüllt. D. ist seit heute im Praktikum und sieht frohen Mutes und selbstbewusst nach vorne. Bei meiner beruflichen Auslastung in Verbindung mit privater Baubelastung würde ich solch ein Projekt allerdings nicht mehr organisieren. Für ein Angebot dieser Art sollte genügend Zeit vorhanden sein.
7. Öffentlichkeitsarbeit
Was die Öffentlichkeitsarbeit betrifft so werde ich auf jeden Fall für unseren Hausspatz (einrichtungsinterne Zeitung) einen Bericht verfassen, um die anderen Abteilungen von unserer Unternehmung zu informieren. Da mein Projekt „Zahltag“ nur durch die großartige Unterstützung der Firma Siemens Management Consulting aufgebaut werden konnte, laden wir diese immer wieder zu Informationstagen zu uns in die Einrichtung ein, um von unseren Erfolgen und Aktivitäten zu berichten. Auch hier wird mein Projekt sicherlich einen Platz finden, ausreichend präsentiert zu werden.
8. Literaturverzeichnis
8.1. Bericht
8.2. Projektheft
8.3. Begleitliteratur
9. Anhang